Inzwischen trifft man keine plakatgeschmückten Traktoren mehr auf den Straßen und wenn es Probleme an den Autobahnauffahrten gibt, dann liegt es vielleicht am Wetter oder am schlechten Zustand der Straßen, aber nicht mehr an den Blockaden der protestierenden Landwirte.
Eine eigentlich beruhigende Beobachtung konnte man an all den Tagen der letzten Protestwoche machen. Die Landwirte, aber auch die Speditionsunternehmen und die sich beteiligenden Handwerker haben eine Menge Solidarität aus der Bevölkerung erfahren. Und das, obwohl an allen Tagen wirklich ungemütliches Wetter herrschte, das mit Glatteis, Regen und Schnee schon von sich aus dazu angetan war, den täglichen Berufsverkehr zu erschweren. Genauso war die Solidarität untereinander eine wirklich gute Erfahrung.
Doch nun zum eigentlichen Anlass all dieser Proteste: Als nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes klar war, dass der Haushalt 2024 Einsparungen in Milliardenhöhe beinhalten muss, wurde sehr schnell eine Sparmöglichkeit bei den Subventionen für die Landwirtschaftlichen Betriebe ausgemacht. Und zwar genauer gesagt bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen: Es sollte für alle Fahrzeuge KFZ-Steuern gezahlt werden, d.h. für jeden Traktor, egal ob er für Transporte auf der Straße gebraucht wird oder ob er nur als Spezialmaschine in den Ställen, als Gewächshaustraktor oder als kleiner „Uralttraktor“ auf dem Hof eines Nebenerwerbslandwirtes, der ihn braucht um bei sich und in der Nachbarschaft Heu zu machen. Genauso sollten für jeden Hänger KFZ- Steuern fällig werden. Hierbei wäre es für viele Betriebe zu einem bürokratischen und verwaltungstechnischen Aufwand gekommen, der die finanzielle Mehrbelastung bei weitem übertroffen hätte.
Dies können wir aus eigener Erfahrung gut beurteilen. Nachdem unser Betrieb im letzten Jahr an die nächste Generation übergeben wurde, war genau dies fällig: Alle Fahrzeuge mussten neu zugelassen werden und die Haftpflichtversicherungen auf den „neuen“ Eigentümer umgeschrieben werden. Wenn wir all das Papier, was in diesem Zusammenhang ausgefüllt, hin- und her geschickt, abgeheftet und abgelegt werden musste, zwischen zwei Buchdeckel gebunden hätten- es hätte wirklich die Dicke eines richtigen Romanes. Eine sinnvolle Digitalisierung und ein Verschlanken solcher, doch geläufiger Prozesse würde nicht nur die Arbeitszeit und die Nerven der damit befassten Mitarbeiter in den Betrieben schonen, sondern sicher auch eine beträchtliche Einsparmöglichkeit darstellen. So ist es gut, dass diese Einsparmaßnahme schnell wieder zurückgenommen wurde.
Schwieriger und widersprüchlicher ist da die Einordnung der nun gestaffelten Streichung der Agrardieselförderung. Diese wurde eingeführt, weil landwirtschaftliche Maschinen die öffentlichen Straßenraum nicht nennenswert belasten. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass im Zuge der immer größer werdende Agrarholdings oder auch beim Betrieb von Biogasanlagen mit großen Maschinen viele Transportleistungen auf den Straßen anfallen. Da ist der Gedanke naheliegend, dass diese reinen Transportleistungen dann doch genauso besteuert werden sollten, wie es bei einem Transportunternehmen ja auch fällig wäre.
Nun stellen solche großen Betriebe und diese Art der landwirtschaftlichen Produktion aber nur einen Teil der Landwirtschaft dar.
Für viele andere Betriebe ergibt sich da ein ganz anderes Bild. Ihre Traktoren und Maschinen werden zum überwiegenden Teil für die eigentliche Produktion auf den Flächen und in den Ställen gebraucht. Sie können noch gar nicht auf alternative Antriebsarten umgestellt werden. Einmal, weil das nicht zu finanzieren wäre (jedenfalls nicht so schnell) und zum anderen, weil diese Technik noch in der Entwicklungsphase ist.
Aber trotzdem ist es auch unserer Meinung nach nicht das eigentliche Problem: In den letzten Jahren sind mit jedem Jahreswechsel neue Anforderungen an die Landwirtschaftsbetriebe gestellt worden:
- Jährlich steigender Mindestlohn - Erhöhung der Maut - ständig neue Dokumentationspflichten - einzuhaltende Umweltstandards - Düngeverordnung - Und vieles andere mehrAll diese Punkte seien hier nur als Beispiele genannt. Gleichzeitig wird die Landwirtschaft immer wieder als Schuldiger ausgemacht: zu viel Nitrate im Grundwasser, Insektensterben, Absenkung des Grundwasserspiegels, Artensterben in der Kulturlandschaft usw. usw.. Es ist nur allzu verständlich, wenn die Streichung der Agrardieselsubvention dann sozusagen das Fass zum überlaufen bringt. Das eigentliche Problem sind sie aber nicht.
Sicher ist auch, dass die landwirtschaftliche Maschinenarbeit- sei es auf dem Feld, im Stall oder eben auch beim Transport auf der Straße sich vom Verbrauch fossiler Energien lösen muss. Nur gibt es dafür noch nicht wirklich Alternativen.
Und genauso sicher ist es - wir brauchen eine andere Landwirtschaft. Aber das geht nur mit den Landwirten, mit den Gärtnern und nicht gegen sie.
Und das geht auch nur, wenn sie am Ende vom Erlös ihrer Produktion leben können. Dieses wird erst dann möglich sein, wenn es uns gelingt, dass nicht nur ganz wenige Handelsriesen über die Preise entscheiden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass als erstes die jungen Landwirte deutlich und öffentlich gemacht haben, dass gerechte Preise wichtiger sind, als das Beibehalten von Subventionen, dass sie von ihrer Arbeit auf den Höfen leben und nicht von einer sich ständig ändernden Subventionspolitik abhängig sein wollen.
Trotzdem ist es eine dringende Aufgabe der jeweiligen politischen Entscheidungsträger, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen. Das heißt nicht unbedingt mehr Förderung. Aber die, die es gibt sollte zuverlässig und planbar erfolgen. Landwirte und Gärtner müssen ihre Produktion trotz vieler von ihnen nicht zu beeinflussenden Faktoren realisieren. Weltmarktpreise, mangelnde Niederschläge und Extremwetterereignisse lassen sich nicht planen. Wenn wir wollen, dass Ställe umgebaut werden um mehr Tierwohl zu gewährleisten, dass in umweltgerechtere Technik investiert wird und dass eines Tages auf unseren Feldern Traktoren mit Elektro- oder Wasserstoffmotoren fahren, dann muss es eine vornehmliche Aufgabe der zukünftigen Landwirtschaftspolitik sein, dafür verlässlich Rahmenbedingungen zu schaffen.
Und wir brauchen eine konsequente Unterstützung aller, die eine Landwirtschaft versuchen umzusetzen, die uns weg führt von der Abhängigkeit von EU-Subventionen, weg von Massentierhaltung und weg von dem wirtschaftlichen Zwang immer mehr und immer billiger zu produzieren. Hin zu einer Wirtschaftsweise im Einklang mit der umgebenden Natur und der Bedürfnisse der Menschen die von und in ihr leben. Auch zu diesem Punkt eine kleine Darstellung der eigenen Erfahrung.
Als ökologisch wirtschaftender Gemüsebaubetrieb bauen wir seit nun schon 32 Jahren Gemüse nach den Richtlinien des Biolandverbandes für den Berliner Raum an. Nahezu 95% unserer Produkte werden also regional produziert und vermarktet (ca. 30% in der Direktvermarktung). Der Anteil der Subventionen am Betriebsergebnis ist bei der gärtnerischen Produktion sehr gering. Er liegt im Mittel der letzten Jahre bei ca. 2- 2,5%.
Eigentlich sollte man da doch meinen, dass das eine Form der landwirtschaftlichen Urproduktion ist, die ökologisch und ökonomisch so sinnvoll wie zukunftsfähig ist und deshalb auch gesellschaftlich und politisch gewollt wird. Stattdessen kämpfen wir an immer neuen Fronten: Hier nur einige Beispiele der letzten Jahre:
-Zum 1.12.2023 stieg die Maut und wird ab 1.7.2024 auch für kleinere LKW (über 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse) fällig. Damit verteuert sich jeder Transport nach Berlin schon jetzt bei jedem gefahrenen Kilometer um mindestens 0,10 €.
- Berlin will den Individualverkehr zu Gunsten der öffentlichen Verkehrsmittel und des Radverkehrs eindämmen. Das ist nachvollziehbar und richtig. Nur, wenn man gleichzeitig eine regionale Versorgung mit in der Region produzierten Lebensmitteln fördern möchte, müssen diese auch irgendwie transportiert und geliefert werden können. Lastenräder sind da nicht wirklich eine praktikable Alternative. Inzwischen ist es kaum noch möglich, einen Laden oder einen Markt zu beliefern und gleichzeitig alle Verkehrsvorschriften einzuhalten.
- Man sollte doch meinen, dass es ebenso gewollt ist, wenn Landwirtschaftliche Betriebe an die nächste Generation übergeben werden. Aber wenn dieser familiäre Inhaberwechsel gleichzeitig einen Fördernehmerwechsel bei der ILB darstellt, dann wird es wirklich kompliziert. Wenn wir nicht immer wieder auf wohlwollende und hilfreiche Mitarbeiter in der örtlichen Verwaltung (Landwirtschaftsamt MOL in Seelow), in dem begleitenden Beratungsunternehmen und letztlich auch bei der ILB selber gestoßen wären, hätten wohl irgendwann „total genervt“ aufgegeben.
Wir haben während der „Coronajahre“ festgestellt, wie problematisch es ist, wenn so essentielle Produktionen wie die von wichtigen Arzneimitteln aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr im eigenen Land stattfindet. Wir sollten diese Erfahrung in Bezug auf unsere Ernährung nicht ein zweites Mal machen müssen.
Ihre beiden „Zielkefamilien“.